Die Lage ist ausgezeichnet. Mein Leben im Abriss. Band 2 - Die Jahre 1966 bis 1976

Von Wolfgang Kubin (Autor/in). | 223 Seiten | Erschienen: 09. 06. 2022 | ISBN: 9783991140221 | 1.Auflage

Wie wird aus einem unbedarften Theologen ein weltberühmter Sinologe? Wolfgang Kubin berichtet selbstkritisch und humorvoll von seinem Weg aus dem Emsland und Münsterland nach Kyoto und Peking.

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Aus seinen Niederlagen wurden zwar keine Siege, aber sein Studium der Japanologie in Wien, der Philosophie in Bochum und der Germanistik wie Sinologie im Ruhrpott erlösten ihn von seiner theologischen Enttäuschung an der Universität Münster. Aus einem evangelischen Pfarrer in spe wurde de facto ein Wissenschaftler, ein Übersetzer und ein Schriftsteller. Nach der Jugend in der Lüneburger Heide und an der holländischen Grenze (Band 1) stehen nun die Studienjahre an: Der Weg nach Ostasien beginnt Form anzunehmen.
Inhaltsverzeichnis
Was kommt danach?
 Brüche und Aufbrüche
 Karyatide und Flugblattlyrik
 Die Kunst des Intervalls
 An die Donau, an die Wien
 In den Wiesen: das Münsterland zum zweiten Mal
 Nach Japan, auf nach China
 Von Münster nach Peking
Was kommt danach?
 Sunt lacrimae rerum et mentem mortalia tangunt. Vergil: Aeneis

 Alles hat einen Beginn, doch wie geht es dann weiter? Meine Autobiographie nahm ihren Anfang nicht etwa auf meinen Wunsch hin, sondern auf Grund der ständigen Bitte anderer. Ich ließ mich auch zu meiner eigenen Überraschung nicht bei Tage darauf ein, sondern in tiefer Nacht. Ich war kurz zuvor über Peking aus Shantou nach Bonn zurückgekehrt. Das war Weihnachten 2019. Ich flog noch einmal auf drei Tage zurück. Für eine Preisverleihung Anfang Januar 2020. Danach übernahm Corona das Heft. An eine Rück- kehr nach China war da nicht zu denken. Das gilt anscheinend bis dato, denn Lufthansa strich kurzfristig meinen lang gebuchten Rückflug für Mitte Februar 2021. So scheint, wo ich dies hier auf- setze, mein Unterricht weiter mit Hilfe des Netzes zu erfolgen. Wer weiß, wie lange noch?
 Ich bin es seit zehn Jahre gewohnt, überwiegend auf chinesisch zu lehren. Grund, wer seit meiner Emeritierung zu mir kommt, ob in Bonn oder in Shantou, ist überwiegend chinesischer Herkunft. Deutsch wird nicht immer bzw. nicht unbedingt gut genug beherrscht. Manchmal sprechen wir auch, weil das Englische hin- zutreten mag, miteinander in drei verschiedenen Sprachen. So ist eine brauchbare Verständigung möglich. Dabei lachen wir viel, aber nur im Hörsaal. Wir sehen einander, wir kommen von draußen, wir bringen etwas mit, viel Regen in Shantou, viel Aschermittwoch in Bonn. So ergibt ein Wort das andere. Ich muß nicht unbedingt viel reden. Jeder hat etwas von sich zu geben.
 Nun aber vor dem Bildschirm? Ein jeder wandelt im Nebel, keiner kennt den anderen. Viele wagen keine Fragen zu stellen. Nur die Mutigsten lassen ihr Gesicht erblicken, das sind drei bis vier von gut dreißig Studierenden. Also doziere ich nach alter Schule, meist annehmbar für beide Seiten. Und doch hatte dies unerwartete Folgen. Müdigkeit. Ich für meinen Teil reagierte mit totaler Erschöpfung, der Körper verlangte nach Ruhe. So begann der vorabendliche Schlaf für wenige Stunden, die Mitternacht öffnete ihren Schlund, das klassische Radioprogramm auf WDR III spendete Beifall, und aus dem Taggelichter wurde ein Nachtgelächter.
 Ich gewöhnte mich nicht mehr an die deutsche Nachtzeit und zog dank Zeitunterschied von sechs bzw. sieben Stunden die chinesische Tageszeit vor. So stellte sich manches auf den Kopf: Während alles in Bonn schlafen ging, stand ich wie in Shantou auf, und wenn alles am Rhein arbeitete, legte ich mich für wenige Stunden hin, als befände ich mich noch am Südchinesischen Meer. So entstand der erste Band meiner Biographie in der Finsternis. Gleich- wohl dürften der Nachtgedanken nur wenige gewesen sein. Ich hielt mich überwiegend tapfer im Gleichgewicht.
 Etwas geht immer zu Ende. Es heißt dann leichterdings, etwas finde zu sich selbst zurück, damit sich etwas Neues auftue. Doch wie schätzen wir dieses Neue ein? Wie fährt man fort? Das war nicht nur die große Frage von Gottfried Benn, sondern ebenfalls die nachgetragene Frage von Zhai Yongming. Was kommt danach? Was naht nach dem ersten großen Werk?
 Ich habe mich bislang allein auf meine Erinnerung verlassen, auf keine Briefe, keine Gespräche oder Fotos. So blieben selbstverständlich Lücken. Soll ich also nachbessern, was das Gedächtnis noch täglich beiläufig bereithält? Also von Mutter berichten, die lieber eine Tochter als einen Sohn hätte haben wollen und mich daher wie ein Mädchen frisiert hat? Die frühesten Photos in Celle geben davon Auskunft. Wurde ich so zum Feministen, der sehr viel später eine lila Hose in Charlottenburg kaufen ging, argwöhnisch beäugt von einer auskunftsunwilligen Verkäuferin? War ich deswegen der Softie, den sich keine Frau vor 1968 leisten wollte? Sondern nur einen, der sich auf das Stoßen verstand, während sie Pillen zu sich nahm? Und ich? Verbat das Schluckgeschäft und mir ein Kondom. Bis heute. Welche Methode bemühte ich? Natürlich die des Taoisten.
 Irgendwie war da auch immer ein Übergang, von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Die Samstage waren in fester Hand. Nach dem Fußball galten sie in Rheine dem Abendprogramm der zwei Fernsehanstalten. Da lief erst ein Krimi mit dem französischen Kommissar Maigret, dann erfreute uns die eher erwartete Sportschau wohl im ZDF. Matthias und ich fieberten. Die Mutter dahinter, allerdings eher in ihre Strickarbeiten vertieft. Thomas hatte wohl zu schlafen. War das alles nun 1965 oder später? Wir lagen bäuchlings vor der Glotze. So erlebten wir die Dramen der Welt, erst Mord und Totschlag, dann die eine oder andere Blutgrätsche. Und was kam danach? Ich greife vor. Die Serie Bezaubernde Jeannie ab 1967, sie lief im Vorabendprogramm des ZDF: Der amerikanische Astronaut Nelson befreit den persischen Flaschengeist Jeannie, und schon beginnen die Verwicklungen, denn die Geistin ist dem Männie vollkommen überlegen. Heute nicht mehr austrahlbar, alle Amazonen würden protestieren: »Wir Flaschengeisterinnen bedürfen keines Astronauten! Wir befreien uns lieber selber aus unserer gläsernen Existenz. Wir sagen niemals Meister zu einem hochgewachsenen Schlaks!« So sei es denn.
 Und was gälte es noch nachzutragen? Daß es Matthias mit Freund zu den Rolling Stones im September 1965 nach Münster zog? Mutter und ich hatten Bedenken, diese nutzten nichts. Gleichwohl, er kam zwar enttäuscht, doch lebend aus der Münsterlandhalle wieder zurück. Die vier Briten hatten nur 45 Minuten gespielt, ansonsten bestritten andere Gruppen das Programm über die Zeit. Vieles wurde anschließend von dem rasenden Publikum kurz und klein geschlagen. Die Kommentare der Presse fielen allerdings auch nicht viel freundlicher aus. Was man damals zu bemängeln hatte, ist heute noch der Lektüre wert: sinngemäß angebliche Urlaute von angeblichen Tieren in einem imaginären Käfig.
 Was mag Matthias mit dem früh verstorbenen Klassenkameraden Petersen zu dem gewaltbereiten Spektakel nur hingetrieben haben? …….
Rückmeldungen/Rezensionen
..... "Schon lange habe ich die Lektüre von "Die Lage ist ausgezeichnet" abgeschlossen. Ich brauchte nur wenige Tage, denn es machte großen Spaß, noch größeren als beim ersten Band Deiner Autobiographie.  Dabei hattest Du größte Konkurrenz. Gleichzeitig las ich Schopenhauer und (nach langen Jahren) noch einmal den "Zarathustra".
 
Vielleicht ist diese Autobiographie Dein literarisches Meisterwerk. Es ist ja auch Literatur bzw. Belletristik, also "Dichtung und Wahrheit". Es müsste auch Lesern gefallen, die Dich nicht bzw. wenig kennen. Doch diesen würde der Einstieg schwerer fallen, besonders beim ersten Band, wo allzu viele Details genannt werden.
 
Angenehm ist Deine Bescheidenheit bei der Selbstdarstellung. Koketterien gibt es natürlich auch.
 
Ich entdecke, dass Deine Grundhaltungen den meinen im großen Maße entsprechen. (Widerwille gegen Amerika, Anglizismen, die 68er, etc. etc., eigentlich gegen den Zeitgeist). 
Und: Dir und mir sind Religion und Fussball wichtig. Bei der Religion entscheidest Du Dich für den Protestantismus. Ich entscheide mich nur beim Fussball: Für den BVB.
 
Du magst aber das Ruhrgebiet nicht ...
 
Du magst auch nicht den dominanten Wissenschaftsstil, wohl gerade in den Philologien. Ich erinnere mich an einen Abend mit bestem chinesischen Essen in der Ermekeilstraße. Wir sprachen über "wirtschaftliches Arbeiten", und ich sprach mich für "subjektives und spekulatives" Vorgehen aus. "Das ist es", kommentiertest Du. "Bonner Schule". Hi-hi, eine typische Übertreibung Deinerseits.
 
Eine solche Schule würde "Subjektivität und Spekulativität" natürlich auch nur als Ergänzung zum Ziel der "intersubjektiven Erkenntnis" miteinbringen dürfen.
 
Was mich verwundert, ist der trotzdem sehr große Respekt vor akademischen Größen, den Du früher hattest. Du hast ja vor manchen gezittert.
 
Fern liegt mir eigentlich auch Dein (früher?) dringender Wunsch, "etwas zu werden" (also nicht zu "scheitern" wie der Vater). Da geht es mir zu sehr darum, was man in den Augen der Anderen ist.
 
Und Du gestehst eine wachsende Angst vor dem Tod. Wenn ich mich nicht irre (und da kann man sich irren), nimmt meine ab.
 
Noch mal zu Deinen "Übertreibungen", die sich bis zur Groteske dehnen können. Solche machen mir besonderen Spaß. Zum Beispiel: "Einzige Vorausetzung: Fleiß, das Talent würde noch kommen" (S. 214.), wenn Du über das schreibst, was Du von Studierenden erwartest.
 
Noch ein Eindruck: Du hast ein sehr reiches Leben gelebt ( und es geht ja noch weiter). So viele Orte und Menschen und Dinge erlebt. Und Du hast Dich (so ist meine Überzeugung) menschlich gut verhalten, warst wohl nie "ein Schweinehund". Und das ist ja auch das Allerwichtigste.
 
Also, meine größte Hochachtung!"
 

Verlag[Firma Bacopa Verlag]
ISBN9783991140221
Auflage1
Sprache(n) Deutsch
Ausführung Gebunden
Erschienen2022
Seitenzahl223
Illustrationenzahl223
Cover Hardcover
Autor/in Wolfgang Kubin (Autor/in)